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Prideblog: Stolz auch ohne Parade

04.07.2014 | cb — Keine Kommentare
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Was für eine Party, Tubbe – wie geil! Die Pride Week beginnt. In der Champions Hall des Kyiwer Olympiastadiums haben die Veranstalterinnen und Veranstalter die CSD-Woche in Kyiw offiziell mit einigen Reden eröffnet. Anna Dovgopol hat eine Ansprache gehalten, von der Heinrich-Böll-Stiftung; sie war für das Kulturprogramm zuständig. Olena Shevchenko war dabei, sie ist Co-Chairman des  KyivPride, Amnesty International hat etwas gesagt, Tanya Mazur leitet die Sektion der Menschenrechtsorganisation in der Ukraine. Auch wir Münchnerinnen und Münchner waren auf der Bühne, es war ein großer Moment.

Seit drei Jahren nun gibt es den KyivPride und er wächst jedes Jahr ein bisschen mehr – allein 20 Leute haben ihn dieses Jahr organisiert. Auch aus der Community machen mehr Leute mit. Etwa 100 haben an diesem Donnerstag ihren Weg in das Olympiastadium gefunden. Die meisten von ihnen haben schon tagsüber die LGBT-Konferenz besucht, die die Vereine der Stadt für die Szene ins Leben gerufen haben. Es gibt Vorträge, Debatten, Workshops zu allen möglichen Themen.

Die Bühne, auf der Tubbe spielt, wirkt ein bisschen verloren in dem repräsentativen Raum. Der Bühne gegenüber hängt am Balkon eine 20 Meter lange und zwei Meter hohe Regenbogenflagge. Die Sitzreihen vom Tag sind weg, im Saal hinter der Bühne hängen fünf Ausstellungen, zwei davon vom CSD und von Munich Kyiv Queer. Die Lichtinstallation richtet das Meiste, auch die Technik funktioniert perfekt. Ohne Steffi, Klaus und Mesut aber – sie sind Tubbe – wäre alles nichts. Die queere Band rockt den Saal. Sängerin Steffi, offen lesbisch, kann das ganz gut, sie singt, tanzt, macht Witze über das Leitungswasser. Die Leute lieben Tubbe. Sie tanzen. „Let’s get crazy“, sagt die Frontfrau und zündet eine Konfetti-Bombe. Die kleine Menge tobt. 30 sind es nur, aber Tubbe spielt sich in ihre Herzen.

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„Das erinnert mich an alte Zeiten“, sagt Steffen aus München. Er ist ganz kurzfristig mit nach Kyiw geflogen, weil er solidarisch sein will, weil er Osteuropa liebt. „Es ist ein bisschen wie im Landschulheim, wenn die Disco die Skiausfahrt abschließt.“ Die Community tanzt mit sich selbst.

Noch immer weiß niemand, ob der Pride-Marsch am Samstag stattfinden wird. Die Widerstände in der Stadtverwaltung sind groß. Die Polizei sagt: Lauft, aber auf eigene Gefahr! Klitschko, der neue Bürgermeister – schweigt. Die Botschaften unterstützen den Kyivpride, aber nicht offiziell. In der Stadt kursieren Waffen. Offenbar will in diesen schwierigen Zeiten, in denen die Ukraine steckt, niemand etwas falsch machen.

Am Freitag wird entschieden. Bis dahin läuft die Pride Week weiter. Auch die Münchner Delegation setzt ihr Programm wie gewohnt fort – wir besuchen Insight, Nash Mir, die GIZ und die Heinrich-Böll-Stiftung. Die Themen, die uns beschäftigen: LGBT-Flüchtlinge aus der Ostukraine und von der Krim, der neue Patriotismus im Land, der sich gegen das Putin-Regiment richtet – eben haben die Leute auf dem KyivPride die Nationalhymne gesungen! Es geht um eine neue Transgender-Gesetzgebung, Hass-Delikte, die Geschichte der ukrainischen LGBT-Bewegung und das neue, europäische Denken, das eine neue Haltung zum Thema LGBT und HIV bringt. Die Ukrainerinnen und Ukrainer sind da inzwischen in vielerlei Hinsicht entspannter als früher, offener.

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„Jetzt warten wir darauf, dass bald konkrete Reformen beginnen“, sagt Kyryl Savin, Büroleiter der Heinrich-Böll-Stiftung in Kyiw. Es geht um eine Dezentralisierung der Macht, eine Demonopolisierung des Staatswesens, eine Verfassungsreform und die Förderung der Zivilgesellschaft. Hat die neue Europa-Liebe Substanz? Überall in der Stadt hängen Ukraine- und EU-Flaggen. Savin hofft darauf, doch bleibt er skeptisch. Noch immer sitzen im Parlament dieselben Abgeordneten wie vor der Revolution. Vielleicht kommen im Herbst Parlamentswahlen. Ob mit ihnen ein neuer Politikstil einzieht, ist fraglich. „Allzu oft geht es bei uns nur um Macht und Geld, nicht um Ideen“, sagt Timur, ein LGBT-Aktivist von Insight.

Heute Abend ist das nicht wichtig. 30 Menschen tanzen. „Es war das Größte seit Langem, hier aufzutreten“, sagt Tubbe-Drummer Mesut. „Die Leute hier sind so mutig, sie sind so wenige und sie sind doch gekommen.“ Ein paar Groupies umlagern ihn jetzt. Die Eröffnung der Pride Week ist gelungen – was immer jetzt kommen mag.

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